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Aus „Junge Welt“, vom 16.November 2023

Bedrohte Art des Tages: Camembertschachtel

Von Arnold Schölzel

Normiert die EU Nahrungsmittel, gibt’s Müll. Alte Apfelsorten werden durch aufgeschäumte Chemieballons der Marke »Gelber Grässlicher«, krumme Gurken durch grüne Gewächshauswassersäcke ersetzt. Sogenannte Erdbeeren – rot angestrichene fahle Ekelrüben – werden von Sklaven in Südspanien gepflückt und Tausende Kilometer durch EU-Europa gekarrt. Lebendiger Rohmilchkäse musste den mit »Käse« beschrifteten Bakterienleichen weichen usw. Eingehüllt wird alles zumeist in Plastik, dessen Produktion weltweit – wie in dieser Woche von der UN-Konferenz dazu in Kenia zu erfahren war – seit 2002 auf 400,3 Millionen Tonnen verdoppelt worden ist. Kapital kann die Erde und den Arbeiter nicht schnell genug untergraben.

Also dachte sich die EU-Kommission: Verpackung aus Naturprodukt ist von Übel. Am Mittwoch schlugen die französische Lacroix-Gruppe, die den EU-Markt für Käseverpackungen beherrscht, und die EU-Ministerin Frankreichs, Laurence Boone, Alarm: Nach dem Willen Brüssels sollen bis 2030 alle Verpackungen recycelbar sein, was das Ende der traditionellen Camembertschachtel bedeuten würde. Denn die ist traditionell aus Pappelholz und dafür gibt es keine Sortiermaschinen. Camembert ist zwar der in Frankreich meistgekaufte Käse, aber EU-weit machen Holzschachteln nur 0,001 Prozent aller Lebensmittelverpackungen aus. Daher, so die Lacroix-Lobbyisten, kostet das Aussortieren einer Tonne Holz 200 Mal mehr als das einer Tonne Glas. In Frankreich hängen an Käseschachteln 2.000 Arbeitsplätze in 45 Unternehmen. Zudem: Die geschützte Ursprungsbezeichnung (AOP) Camembert de Normandie schreibt eine Holzverpackung vor und der Mont d’Or, ein Käse aus dem Jura, benötigt eine Schachtel aus Fichtenholz, die das Ende der Reifung sicherstellt und ihm einen besonderen Geschmack verleiht. Käsefreunde und -arbeiter aller Länder, vereinigt euch!


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