Aus „Junge Welt“, Nr. 167 vom 21 Juli 2023
44 Jahre Freiheit
Nicaragua: Feierlichkeiten zum Sieg der Sandinistischen Revolution mit Tausenden Teilnehmern und zahlreichen Staatsgästen Von Thorben Austen, Managua

Zehntausende Menschen haben am Mittwoch in Nicaragua den Jahrestag des Sieges der Sandinistischen Revolution vom 19. Juli 1979 gefeiert. Vor 44 Jahren waren die Revolutionstruppen des Frente Sandinista de Revolución Nacional (FSLN) in die Hauptstadt Managua einmarschiert und hatten das Ende der jahrzehntelangen Diktatur der Familie Somoza verkündet. Diktator Anastasio Somoza war bereits zwei Tage zuvor aus dem Land geflohen.
Die Feiern werden in Nicaragua jedes Jahr sowohl dezentral in den Departamentos als auch in der Hauptstadt begangen, das Programm beginne stets schon Wochen vor dem 19. Juli, erklärte Jorge Capelán vom Centro Regional de Estudios Internacionales gegenüber jW. In den vergangenen Jahren hätten landesweit jeweils etwa 400.000 Menschen teilgenommen. Der zentrale Festakt am Mittwoch abend fand auf der Plaza de la Dignidad statt. An ihm nahmen neben Staatsgästen Vertreter aus Solidaritätsbewegungen, Gewerkschaften und linken Parteien verschiedenster Länder teil. Auch waren Tausende Delegierte der Sandinistischen Jugend anwesend, überwiegend Schüler und Studenten aus Managua, wie ein Teilnehmer gegenüber jW angab. Für Mauricio, einen Aktivisten der Sandinistischen Jugend aus der Hauptstadt, ist der »19. Juli ein Tag des historischen Gedenkens, ein Tag des Kampfes und des Sieges der Sandinistischen Volksrevolution – er bedeutet 44 Jahre Freiheit und Unabhängigkeit«, sagte er im Gespräch mit jW. Heute lebe man in Nicaragua »im Frieden«, mit einer »Jugend, die sich verpflichtet, täglich für ein besseres Leben zu streiten«, erklärte er.
Das Programm auf der Plaza de la Dignidad begann mit einem Konzert mit revolutionären Liedern aus Lateinamerika. In einer kurzen Rede versprach die Vizepräsidentin und Ehefrau von Staatspräsident Daniel Ortega, Rosario Murillo, die Sozialprogramme »im Wohnungs- und Straßenbau, im Gesundheits- und Bildungswesen« fortzusetzen. Die Regierung sei »christlich«, daher könne man zu Recht sagen: »Hier lebt Jesus Christus (…) mit Liebe und aus Liebe. Christlich, sozialistisch und solidarisch arbeiten wir und dienen unserem großen Volk.« Murillo stellte auch die ausländischen Gäste vor. Neben Vertretern verschiedener afrikanischer und lateinamerikanischer Staaten waren offizielle Delegationen der Palästinensischen Nationalbehörde sowie aus Russland, Belarus und der Demokratischen Volksrepublik Korea angereist. Die Veranstaltung verzichtete trotz der internationalen Gäste nahezu vollständig auf aufwendige Sicherheitsvorkehrungen, die Zuschauer saßen ohne Trennlinie nur wenige Meter von den Staatsgästen entfernt.
Schließlich setzte Präsident Daniel Ortega zu einer etwa zweieinhalbstündigen Rede an. Er ging ausführlich auf die Geschichte Nicaraguas ein. Den ersten Sieg gegen den »spanischen Imperialismus« hätten indigene Völker auf dem Territorium Nicaraguas errungen. Die späteren Präsidenten hätten alle für die USA regiert. Schließlich sei aus dem Geist des für die Unabhängigkeit des Landes kämpfenden Generals Augusto Sandino (1895–1934) der Frente Sandinista entstanden. Europa, so der Staatschef, diene den »Interessen der USA innerhalb der NATO«, verhänge »Sanktionen gegen Nicaragua« und lasse gleichzeitig »Tausende Migranten an seinen Grenzen sterben«. Diese Verbrechen »gegen menschliche Wesen« müsse der »berühmte Internationale Gerichtshof Europa verurteilen«, forderte der Staatschef. Statt Millionen in den »Krieg in der Ukraine zu stecken, könnte das Geld weltweit zur Armutsbekämpfung und für Umweltschutz verwendet werden«. Zum Ende ging Ortega auf die internationale Solidaritätsbewegung mit Nicaragua ein und erinnerte an die »80 Brüder« aus verschiedenen Ländern, die in den 1980er Jahren von Contras ermordet worden waren.
Die oppositionelle Zeitung La Prensa schrieb, »der FSLN habe die Feiern mit viel Lärm und wenig Leuten begonnen«, und veröffentlichte am Mittwoch Fotos von Polizisten in Uniform, die mit Fahnen des FSLN an einem Marsch zum Jahrestag teilnehmen. Glückwünsche seien »von Nicolás Maduro und anderen die Menschenrechte missachtenden Regimen« eingegangen. Nicaragua Investiga gab an, die Zustimmung für den FSLN sei nach einer Umfrage vom Juli von 16 auf 13 Prozent zurückgegangen. Die Pressefreiheit ist also durchaus intakt.

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