Aus „Junge Welt“ vom 07. Oktober 2023
»Alles, was profaschistisch ist, verurteilen wir unbedingt«

Waldai-Forum in Sotschi: Präsident Putin antwortet auf Fragen der jungen Welt zu Beziehungen zwischen Russland und der AfD
Interview: Stefan Huth
Am Donnerstag endete das 20. Waldai-Forum in Sotschi, auf dem rund 140 Sicherheitsexperten, Journalisten und Wissenschaftler unter dem Motto »Faire Multipolarität: Wie Sicherheit und Entwicklung für jeden sicherstellen« zusammengekommen waren. Während der mehrstündigen Fragerunde zum Abschluss hatte der Chefredakteur der jungen Welt, Stefan Huth, die Gelegenheit, den Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, zu den außenpolitischen Beziehungen Moskaus mit rechten Parteien in der EU zu befragen:
Mein Name ist Stefan Huth, ich komme aus Deutschland von der Tageszeitung junge Welt. Ich möchte daran anknüpfen, worüber Sie gerade gesprochen haben – die spezielle Militäroperation in der Ukraine wird oft mit antifaschistischen Motiven gerechtfertigt. Sie sagten, dass es darum gehe, das ukrainische Volk von den Nazis zu befreien, sie rauszuschmeißen, das Land zu befreien. Vor diesem Hintergrund erscheint es hochgradig verwirrend, dass Sie auf hochrangiger Regierungsebene Kontakte zu Rechtsaußenparteien wie dem Rassemblement National oder der Alternative für Deutschland (AfD) unterhalten. Also zu Parteien, die tief in einem rassistischen Umfeld verwurzelt sind, die keinerlei Sympathie für das russische Volk besitzen und keine Vorstellung davon haben, dass Russland multiethnisch ist, wie Sie in Ihrer Rede betont haben. Daher möchte ich gerne wissen: Was erwarten Sie, was erwartet Ihre Regierung von Kontakten mit solchen Parteien und was sind die Kriterien dafür? Können Sie verstehen, dass Antifaschisten in Westeuropa darin eine Form von Widerspruch zu Ihrer Politik sehen?
Entschuldigen Sie bitte, ich möchte Sie bitten, etwas konkreter zu werden: Was meinen Sie, wenn Sie von faschistischen Kräften und faschistischen Parteien, ihrer Beziehung zu Russland und so weiter sprechen? Bitte seien Sie so freundlich, direkt und konkret, sonst reden wir in Halbtönen, aber es wäre besser, direkt zu sein.
Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla hatte ein offizielles Treffen mit Außenminister Sergej Lawrow im Jahr 2020. Aber ein Teil der AfD, insbesondere Björn Höcke, ist tief in der faschistischen Bewegung in Deutschland verankert. Er geht auf Demonstrationen mit Nazis. Das ist sehr verwirrend für Antifaschisten in Deutschland.
Aber worin sehen Sie und wodurch wird das bestätigt, was Sie sagten, dass sie in ihren Aktivitäten auf einigen faschistischen, profaschistischen, nationalsozialistischen Ideen basieren? Können Sie mir konkret sagen, wovon die Rede ist?
Björn Höcke zum Beispiel ist direkt mit den Faschisten verbunden. Er geht regelmäßig zusammen mit Faschisten zu den Demonstrationen in Dresden zum Jahrestag der Bombardierung der Stadt durch die Alliierten. Das ist einer der Gründe für die Beobachtung der Partei durch den deutschen Inlandsgeheimdienst, der sagt, dass es eine Partei vom rechten Flügel sei.
Ich verstehe. Sehen Sie, Sie haben mit der Ukraine angefangen und mich gefragt, ob es gerecht ist, dass wir öffentlich erklären, dass wir versuchen, das ukrainische politische System zu entnazifizieren. Aber jetzt hatten wir gerade im kanadischen Parlament eine Situation, in der der Präsident der Ukraine einem Nazi, der Juden, Russen und Polen getötet hat, applaudiert hat.
Ist das nicht ein Zeichen dafür, dass in der Ukraine ein System entsteht, das wir mit Recht als pronazistisch bezeichnen? Der Staatschef steht auf und applaudiert einem Nazi, und zwar nicht nur irgendeinem ideologischen Anhänger des Nazismus, sondern einem realen Nazi, einem ehemaligen SS-Soldaten. Ist das nicht ein Zeichen für die Nazifizierung der Ukraine und gibt uns das nicht das Recht, über ihre Entnazifizierung zu sprechen?
Aber Sie werden vielleicht antworten: Ja, es ist das Staatsoberhaupt, aber es ist nicht das ganze Land. Und ich sage Ihnen: Sie haben von denen gesprochen, die zusammen mit profaschistischen Elementen zu Kundgebungen gehen. Aber ist es die gesamte Partei, die zu diesen Kundgebungen geht? Wahrscheinlich nicht.
Alles, was profaschistisch, pronazistisch ist, verurteilen wir unbedingt. Alles, was diese Kennzeichen nicht hat, sondern im Gegenteil darauf gerichtet ist, Kontakte herzustellen, wird von uns unterstützt.
Soweit mir bekannt ist, wurde auf einen führenden Repräsentanten der Alternative für Deutschland ein Anschlag verübt. Erst jetzt, während des Wahlkampfes. Was besagt das? Dass die Vertreter dieser Partei Nazimethoden anwenden oder dass diese Nazimethoden gegen sie angewendet werden? Das ist doch eine Frage, die auf eine akribische Recherche wartet, auch von Ihnen und der Öffentlichkeit der Bundesrepublik selbst.
Was die antifaschistischen Kräfte betrifft, so waren wir immer mit ihnen verbunden, wir kennen ihre Position zu Russland. Wir sind ihnen für diese Position dankbar und unterstützen sie unbedingt.
Ich denke, dass alles, was auf die Wiederbelebung und Aufrechterhaltung der Beziehungen zwischen uns abzielt, unterstützt werden sollte, und tatsächlich könnte das das Licht am Ende des Tunnels unserer derzeitigen Beziehungen sein.
(Putin kommt im weiteren Verlauf der Pressekonferenz erneut auf die Frage zurück und ergänzt die Antwort:)
Ich bin sicher, dass sich die Dinge allmählich ausgleichen werden. Meiner Meinung nach machen die Vereinigten Staaten einen kolossalen strategischen Fehler. Ich habe auf öffentlichen Veranstaltungen verschiedener Art gesagt: Sie zerquetschen ihre Verbündeten, und dann gibt es Fragen wie die des Kollegen aus Deutschland: Hier erhebt die Alternative für Deutschland ihr Haupt. Natürlich werden sie das tun, denn niemand in der herrschenden Klasse kämpft für die Interessen Deutschlands, deshalb passiert das ja auch. Verstehen Sie das nicht? Das ist eine offensichtliche Sache.

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