Junge Welt vom 04.01.2024
Nordkorea macht Schluss mit Südkorea
Pjöngjang: Arbeiterpartei bricht auf Kongress mit Versöhnungspolitik. Seoul verstärkt Provokationen
Von Martin Weiser, Seoul
Die beiden koreanischen Staaten seien nun vollständig zu verfeindeten Ländern und zu Kriegsgegnern geworden. Dies hat der Generalsekretär und Präsident der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK), Kim Jong Un, auf dem Jahresendplenum der regierenden Arbeiterpartei betont, das vom 26. bis 30. Dezember abgehalten wurde. Entsprechend müsse man eine neue Position zum Süden und zur Frage der Wiedervereinigung einnehmen.
Kims harsche Worte folgten auf die Suspendierung eines erst 2018 geschlossenen Militärabkommens durch den südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol Ende November. Darin war die Einstellung aller feindlichen Handlungen vereinbart worden. Yoon hatte jedoch unter Verweis auf Nordkoreas erfolgreichen Start eines Aufklärungssatelliten einseitig einen Artikel zum Flugverbot an der Grenze »ausgesetzt«, und Pjöngjang hatte am darauffolgenden Tag klargestellt, dass damit auch der Rest des Abkommen hinfällig sei. Bereits vor Amtsantritt 2022 hatte Yoon klargemacht, dass er nicht vorhabe, sich an die Übereinkunft zu halten. Die DVRK ist für ihn der »Hauptfeind«, und das erste »Weißbuch« unter seiner Regierung im Februar vergangenen Jahres hat das Wort direkt aufgenommen. Entsprechend aggressive Militärübungen folgten, und am 18. Dezember ließ das neu besetzte Verteidigungsministerium wissen, dass auch Attentate auf Kim Jong Un geprobt würden. Nordkorea reagierte auf die Provokationen mit der Erstellung von Plänen für nukleare Angriffe nicht nur auf US-Basen, sondern auch auf die Schaltstellen der südkoreanischen Regierung und ihres Militärs.
Kim verwies auf dem Plenum außerdem auf die mehr als fünf Jahrzehnte seit 1972, in denen sich die Beziehungen zwischen beiden Koreas nie aus einer endlosen Wiederholung von Dialog und Konfrontation befreien konnten. Letztlich hätten selbst unter weniger rechten Regierungen als der gegenwärtigen die US-Marionetten im Süden die DVRK zerstören wollen. Die Vorgängerregierung unter Präsident Moon Jae In von der Demokratischen Partei unterzeichnete etwa 2018 das Militärabkommen, weigerte sich dann aber trotz wiederholter Appelle, Manöver mit den USA einzustellen. Ein Ende dieser Übungen war seit Jahrzehnten von Pjöngjang als fundamentale Bedingung für eine Verbesserung der Beziehungen genannt worden. Genausowenig wollte Moon aus Angst vor US-Sanktionen die wirtschaftliche Zusammenarbeit wiederbeleben und die Sonderwirtschaftszone in Kaesong wiedereröffnen.
Pjöngjang versuchte in einer Salamitaktik, die Moon-Regierung umzustimmen, aber weder die Zerstörung des gemeinsamen Verbindungsbüros in Kaesong im Juni 2020 noch die Androhung im darauffolgenden Jahr, das staatliche Komitee für friedliche Wiedervereinigung aufzulösen, zeigten Wirkung. Die fundamentale Abkehr vom Süden kommt also nicht aus dem Nichts. Teil der neuen Linie Pjöngjangs ist unter anderem die Schließung oder zumindest Reform von Institutionen wie der Einheitsfrontabteilung der Partei. Am 1. Januar lud Nordkoreas Außenministerin Choe Son Hui bereits die entsprechenden Kader zum Gespräch.
Der südkoreanische Präsident reibt sich unterdessen die Hände und verkauft seinen Wählern die neue Tonlage im Norden als Kriegstreiberei. Deswegen müsse man noch härter werden, mehr Waffen kaufen, noch mehr Militärübungen abhalten und auch die Freunde der DVRK im eigenen Land ausschalten. Nur drei Monate vor den nächsten Parlamentswahlen im Süden hoffen die Konservativen, so eine Mehrheit gewinnen zu können. Noch kann die Demokratische Partei mit 55 Prozent der Sitze die größten Exzesse verhindern.

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