Interview mit Mimi al-Laham – ZUERST!

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„Die westlichen Medien lügen“
Im Internet wurde eine junge Syrerin wegen ihrer Videokommentare berühmt

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interview al-laham

Mimi al-Laham (Name von der Redaktion
zum Schutz der Interviewpartnerin
geändert) kommentiert als „Syriangirl“
regelmäßig die Geschehnisse in Syrien.
Die Studentin stammt aus einer muslimischen
Familie in Damaskus, wo sie auch
geboren wurde. Sie gehört mittlerweile
zu den bekanntesten syrischen Gesichtern
im Internet.

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Frau al-Laham, innerhalb weniger Wochen
wurden Sie wegen Ihrer regelmäßigen
Analysen und Stellungnahmen zum
Syrien-Konfl ikt eine Internet-Berühmtheit.
Sie beziehen klar gegen eine mögliche
westliche Militärintervention Stellung
und werfen den westlichen Medien
vor, sie würden einseitig und falsch berichten.
Zudem erheben sie schwere
Vorwürfe gegen die Rebellenmilizen
und behaupten, diese seien für die Massaker
der letzten Monate verantwortlich.
Im Internet kursieren nun Gerüchte,
Sie seien eine KGB-Agentin oder ein
von der syrischen Regierung bezahltes

Fotomodel, um Propaganda zu betreiben.
Sind Sie von Ihrem Erfolg überrascht
– und wie denken Sie über die
Kritik?
Laham: (lacht) Zunächst überrascht
mich der Erfolg gar nicht so sehr. Das
Internet ist groß und die Nutzer suchen
ständig nach etwas Außergewöhnlichem.
Und eine junge Syrerin, die Gegenöffentlichkeit
betreibt, ist heute außergewöhnlich.
Ich freue mich natürlich
darüber, daß ich dadurch viele kritische
Menschen erreiche, und in der
Tat hatte ich ein so großes Publikum
nicht erwartet, als ich damit begann.
Die Gerüchte, ich sei vom Geheimdienst
oder der Regierung dafür angeheuert
worden, sind lächerlich. Ich
bin eine ganz normale syrische Bürgerin,
die sich große Sorgen um ihr
Land macht und die westliche Politik
kritisiert – und dies in Form von Videobotschaften.
Wer solche Gerüchte verbreitet,
will mich und meine Inhalte
diskreditieren.

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Die westlichen Medien und Politiker
verbreiten tagtäglich: „In Syrien läßt
ein Diktator einen ursprünglich friedlichen
Volksaufstand blutig niedermetzeln,
dabei schreckt er nicht einmal davor
zurück, Kinder zu töten. Der Aufstand
hat nun eine bewaffnete Miliz, die
,Syrische Armee‘, die die Zivilisten
schützen wollen. Wir müssen den Rebellen
endlich helfen.“
Laham: Es ist beschämend, wie die
westlichen Massenmedien ihre Lügen
verbreiten. Wir erleben jeden Tag, wie
unsere syrische Armee und ihre Führung
in den westlichen Berichten ge-

radezu „entmenschlicht“ werden. Die
Rebellen werden im Gegensatz dazu als
die guten Freiheitskämpfer dargestellt
– vielleicht mit einigen kleinen Schönheitsfehlern.
In den westlichen Medien
wird der Eindruck erweckt, die syrische
Regierung und ihr Militär seien
unentwegt damit beschäftigt, Zivilisten
zu ermorden. Doch das stimmt einfach
nicht. Zeugenaussagen und auch Videoaufnahmen
sagen das glatte Gegenteil.
Die Scharfschützen, die von Dächern
aus Zivilisten unter Feuer nehmen,
gehören nicht der Armee an, sie
gehören zu den vielen verschie denen
Rebellenmilizen, die mittlerweile in
Syrien kämpfen. Wir wissen heute
auch, daß viele dieser Milizionäre Ausländer
sind, daß ihre Waffen und ihr
Sold aus dem Ausland kommen. Auch
die westlichen Medien könnten das alles
leicht in Erfahrung bringen, wenn
sie es nur wollten. Die Golfstaaten haben
längst zugegeben, daß sie Rebellenmilizen
in Syrien unterstützen. Wir
wissen auch, daß die bewaffneten Regierungsgegner
oftmals religiös motiviert
sind, es handelt sich dabei um
radikale Sunniten – wiederum unterstützt
von den sunnitischen Golfmonarchien.
Dies alles ist bekannt. Doch
die westlichen Medien sind an diesen
Informationen nicht interessiert. Dabei
ist es mir wichtig, eines festzustellen:
Ich behaupte nicht, daß wir eine
großartige Regierung in Syrien haben.
Im Gegenteil, ich habe sie in der Vergangenheit
immer wieder kritisiert.
Ich bin keine typische Assad-Anhängerin!

Dann sind Sie eigentlich oppositionell
und gegen Präsident Assad?
Laham: Sehen Sie, wenn mein Land
angegriffen wird, stehe ich hinter der
Regierung. So geht es übrigens vielen
Syrern. Bevor die Krise ausbrach, gehörte
ich zu den Kritikern unserer Regierung.
Was wollten Sie ändern?
Laham: Mich stört die Korruption und
die Ungerechtigkeit in vielen Bereichen.
Meine kritische Haltung gegenüber der
Regierung ist aber auch biographisch
begründet. Meine Familie väterlicherseits
bekleidete hohe Positionen im
Staat, bevor im Jahr 1970 der Putsch der
Baath-Partei unter Hafez al-Assad, dem
Vater unseres heutigen Präsidenten,
stattfand. Sie können sich also vorstellen,
daß ich sozusagen „oppositionell“
erzogen wurde.

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Die westliche Logik lautet: Alle Oppositionellen
unterstützen den Aufstand gegen
die Regierung.
Laham: Das ist natürlich Unsinn. Nur,
weil ich mit vielen Dingen bei unserer
Staatsführung nicht einverstanden bin,
unterstütze ich doch deswegen nicht
einen vom Ausland unterstützten, blutigen
Umsturz. Wer gegen einen Angriff
auf sein Land ist, ist nicht automatisch
ein Unterstützer seiner Regierung.
Die deutsche Bundesregierung behauptet
immer wieder, die große Mehrheit
der Syrer sei gegen Assad…
Laham: Selbst, wenn das so wäre, würde
das doch nicht automatisch bedeuten,
daß die Syrer deshalb für einen Angriff
auf ihr Land durch den Westen oder einen
Umsturz sind. Aber es ist natürlich
nicht so, wie es Ihre Regierung behauptet.
Wie ist es dann?
Laham: Ich kann Ihnen eine persönliche
Einschätzung geben. Ich denke,
daß etwa 40 Prozent der Syrer voll und

ganz hinter der Regierung und ihrem
Prä sidenten stehen. Dann gibt es die Syrer,
die zwar nicht mit allem, was die
Regierung macht, einverstanden sind,
trotzdem aber weder für einen Umsturz
noch für einen westlichen Militärschlag
sind. Das dürften auch etwa 40 Prozent
sein. Die restlichen 20 Prozent sind Unterstützer
der militanten Oppositionskräfte,
viele von ihnen unterstützen einen
radikalen, sunnitischen Islam und
richten ihre Aggression gegen Christen
und Alewiten, aber auch moderate Sunniten.
Sie fi nden dort auch radikale
Salafi sten.
Vor allem Politiker der CDU in Deutschland
halten mit ihrer Unterstützung für
die militante Opposition in Syrien nicht
hinterm Berg. Warum denken Sie, unterstützen
Politiker einer „christlichen“
Partei im Ausland die größten Feinde
der Christen?
Laham: Ich würde die Salafi sten nicht
als die größten Feinde der Christen bezeichnen.
Nein?
Laham: Die Salafi sten sind die größten
Feinde von allen, die keine Salafi sten
sind. Aber trotzdem ist ihre Frage interessant,
warum beispielsweise die
deutsche Regierung die Aufständischen
unterstützt. Und warum kämpft
die deutsche Regierung nicht etwa für
Demokratie und Menschenrechte in
den absolutistischen Golfmonarchien?
Das ist nicht zuletzt darin begründet,
daß sich Syrien Israel entgegenstellt –
und auch den hegemonialen Bestrebungen
der USA. Das macht Syrien für
den Westen zu einem unbequemen
Land in der Region. Daher versucht

man derzeit, das Land von innen her
zu schwächen und zu destabilisieren.
Letztendlich geht es doch darum, in
Damaskus eine Regierung zu installieren,
die israelfreundlich und pro-westlich
ist.
Das sollen ausgerechnet die sunnitischen
Extremisten sein?
Laham: Naja, da gibt es mittlerweile
entsprechende Äußerungen und Versprechungen
der sogenannten syrischen
Exilregierung in Istanbul, die
bereits versprochen hat, die diplomatischen
Beziehungen zum Iran abzubrechen
und die Unterstützung für
die libanesische Hisbollah einzustellen.
Auch die Golfstaaten, die die radikal-
islamische Ideologie fördern,
verhalten sich alles andere als israelfeindlich.
In Europa bekennen sich in diesen Tagen
viele Auslandssyrer, oftmals Journalisten,
Künstler und Intellektuelle,
zur Opposition und unterstützen die
westliche Politik gegenüber ihrem Land.
Einige fordern sogar einen Militärschlag
gegen Assad. Wie denken Sie über diese
Landsleute?
Laham: Ich denke, jemand, der sich für
einen Militärschlag gegen sein eigenes
Land ausspricht, ist ein Verräter. Das
ist doch lächerlich: Da sitzen sie irgendwo
im Ausland und schwingen
diese Reden über westliche Interventionen
und Militärschläge. Doch wenn
es dazu kommt, müssen ihre Landsleute
im Land darunter leiden. Verzeihen
Sie, aber das ist einfach widerlich.
Denn diese Leute machen das nur für
den eigenen Vorteil, weil sie sich vielleicht
hohe Positionen für die Zeit
nach einem westlich initiierten Umsturz
erhoffen. Aber glücklicherweise
haben wir nicht viele von diesen Leuten.
Frau al-Laham, vielen Dank für das Gespräch.


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