Bei anderen gelesen …

Aus „Unsere Zeit“, vom 12. April 2024

Krenz, König und die SDAJ

von Manfred Sohn

Mit Unterstützung der Marx-Engels-Stiftung und der DKP hat die SDAJ am 4. April im Holbornschen Haus in Göttingen eine mit gut 100 Besuchern überfüllte und in jeder Hinsicht gelungene Kultur-, Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit Egon Krenz und Hartmut König organisiert.

Egon Krenz – hier mit Malte Aschenbach von der SDAJ – hatte in Göttingen viele Fragen zu beantworten und tat es gern. (Foto: SDAJ Göttingen)

Schon vor Beginn hatten sich vor dem Veranstaltungsort nicht nur rund zwei Dutzend SDAJler versammelt, sondern auch rund 40 mit Bierkästen und Lautsprecher ausgerüstete Anarchisten, die das erklärte Ziel hatten, die Veranstaltung zu verhindern und Egon Krenz nicht reden zu lassen. Das wurde dank der Überzahl der vielen jungen und älteren Besucher, die Hartmut König singen und reden und Egon Krenz diskutieren sehen wollten, und durch eine gut organisierte Ordnertruppe verhindert. Diese eine Lehre gab es also schon vor dem Beginn: Ohne die in den letzten Jahren gelungene Verjüngung der DKP Göttingen und vor allem die gute Mitgliederentwicklung der SDAJ in Südniedersachsen und Nordhessen wäre dieser Abend gar nicht erst zustande gekommen oder wäre gestürmt worden von den alkoholisierten anarchistischen Randaletruppen der Reaktion – die übrigens einen Tag vorher nicht auf der Straße waren, als in derselben Stadt der Kriegsprediger Joachim Gauck für die Zeitenwende zum Krieg trommelte.

So aber entfaltete sich drinnen, moderiert und geleitet von zwei SDAJ­lern, nach drei Liedern von Hartmut König aus der Zeit des Oktoberclubs und danach eine beeindruckende politische Lehrstunde – am Anfang fokussiert auf die Frage, wie die „Beteiligung von Jugendlichen an der Politik in einem sozialistischem Staat funktioniert“. Egon Krenz machte aus seinem Herzen keine Mördergrube, als er, ausgehend von seinen Jugenderlebnissen mit Rotarmisten, die seine Heimat vom Faschismus befreit hatten, an den unseligen 75. Geburtstag der NATO erinnerte und unter Beifall ausrief: „Statt kriegstüchtig muss Deutschland friedensfähig werden!“ Es betrübe ihn, dass die gegenwärtige deutsche Regierung in ihrem Hass gegen das größte Land Europas alles zu zerstören drohe, „was die DDR in 40 Jahren aufgebaut hat“. Eine große Rolle spielte die Schul- und Hochschulpolitik der DDR für die von Egon Krenz selbstkritisch beantwortete Frage nach der antifaschistischen Arbeit des ersten sozialistischen Staats auf deutschem Boden.

Die Diskussion war kritisch, lebhaft und solidarisch. Am Schluss, vor dem Signieren vieler Bücher, waren sich alle wohl einig in dem, was Hartmut König in einem seiner Lieder mit Blick auf Jugendprojekte der DDR und ihre Friedenspolitik so auf den Punkt gebracht hatte: „Das Wasser fließt nicht von selbst bergauf, und auch die Kriege hören nicht von selber auf.“ Erstaunlich war auch, dass die örtliche Lokalzeitung über diesen denkwürdigen Abend mit einem fast eine halbe Zeitungsseite füllenden Artikel überwiegend sachlich berichtete und die SDAJ in der ganzen Stadt bekannt machte.


Die Antiimperialistische Plattform meint: Genosse Krenz – 87 Jahre und kein bisschen leise. Im Gegenteil. Selten noch erlebt man einen derart aufrichtigen und engagierten Kämpfer für die gerechte Sache. Und entgegen aller Schmähkritik der Reaktion ist Genosse Krenz alles andere als ein ideologischer „Betonkopf“. Er ist ebenso prinzipienfest, wie selbstkritisch. Eine Haltung, die heute immer seltener zu finden ist und ihresgleichen sucht.

Aus der Geschichte für die Zukunft lernen und das Banner der sozialistischen Solidarität hochhalten! Wir lassen uns nicht entzweien!


2 responses to “Bei anderen gelesen …

  • Peter Schmuck

    Die Revolution ist nur dann etwas Wert, wenn sie sich verteidigen kann. Frage an Egon Krenz „Wer hat die Kamfgruppen der DDR aufgelöst?“

    • AiP West

      Lieber Herr Schmuck,

      Sie haben völlig Recht, wenn Sie sagen, dass die Revolution wehrhaft sein muss. Die Vergangenheit hat das mehr als einmal deutlich bewiesen. Eines der jüngeren Beispiele ist der vom Westen inszenierte Putschversuch gegen den damaligen Presidenten Venezuelas, Hugo Chavez, im Jahr 2002. Der korrumpierte Generalstab hätte – trotz der immensen Proteste im Volk – leichtes Spiel gehabt, wären nicht die Präsidentengarde und weite Teile des Militärs, die ihrem Gewissen folgend den Befehl verweigerten, weltanschaulich gefestigt und loyal gegenüber ihrer gewählten Regierung geblieben.

      Nun ist es kein Geheimnis, dass die USA und der Westen Ihre Konterrevolutionen auf dem amerikanischen Subkontinent wenig zimperlich und in den allermeisten Fällen militärisch gestalten (Chile, Bolivien, Equador, Kolumbien, Nicaragua etc.). In der DDR waren die Umstände jedoch andere. Hier ist der Westen wesentlich subtiler vorgegangen und konnte sein zersetzerisches Gift über viele Jahre im Volk versprühen, was letzten Endes dazu führte, das weite Teile des Volkes verhetzt und manipuliert aus scheinbar freiem Willen ihr eigenes Lebenswerk, ihre Zukunft und die wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse der Revolution sehenden Auges zerstörten. Diese Manipulation machte übrigens auch nicht vor den Kampfgruppen der Arbeiterklasse halt, wie eine Einschätzung des Genossen Oberstleutnant Schierz (HA VII, MfS) vom 23.10.1989 zeigt.

      Ihre konkrete Frage kann nur der Genosse Krenz beantworten. Fakt ist aber, dass die Kampfgruppen durch Beschluss des Ministerrats der DDR unter Vorsitz von Hans Modrow aufgelöst wurden. Und die DDR – anders, als es die Reaktion hehauptet – keine Diktatur war, ist es zumindest fraglich, inwieweit Genosse Krenz auf die Entscheidung des Ministerrats hätte Einfluss nehmen können.

      Ungeachtet dessen, konnte damals und kann auch heute keinem ehrlichen Sozialisten der Sinn nach einem Bruderkrieg unter Deutschen stehen. Um aus der Geschichte die richtigen Lehren zu ziehen muss die Frage also vielmehr lauten: Wie konnte es dem Westen gelingen, ein Volk derart systematisch zu manipulieren, dass es sich, entgegen aller Logik, seinen eigenen Untergang bereitet. Und das, obwohl die Schrecken und das Leid, die der Kapitalismus über die Menschen und die Welt bringt, offenkundig waren und noch immer sind.

      Diese Frage löst sich nicht, ohne den kritischen Blick auf sich selbst und das eigene Handeln. Genosse Krenz ist dafür ein gutes Beispiel.

      Beste Grüße,
      aipwest

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